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Wozu Vorurteile gut sind

„Sowie niemand physisch bestehen könnte, wenn er die Blutbewegung, die Atmung, die Verdauung seines Körpers durch willkürliche, vorbedachte Handlungen einleiten und instande halten müßte, so könnte auch niemand intellektuell bestehen, wenn er genötigt wäre, alles was ihm vorkommt zu beurteilen, anstatt sich vielfach durch sein Vorurteil leiten zu lassen. Das Vorurteil ist eine Art Reflexbewegung im Gebiete der Intelligenz. Auf Vorurteilen, d.h. auf nicht jedesmal auf ihre Anwendbarkeit geprüften Gewohnheitsurteilen, beruht ein guter Teil der Überlegungen und Handgriffe des Naturforschers, auf Vorurteilen beruht die Mehrzahl der Handlungen der Gesellschaft. Mit dem plötzlichen Erlöschen aller Vorurteile würde sie selbst sich ratlos auflösen.“

[Ernst Mach, Über Umbildung und Anpassung im naturwissenschaftlichen Denken, in seiner Rektoratsantrittsrede an der Deutschen Universität in Prag, 1883]